Predigtreihe zum Propheten Elia - Teil 1
An dieser Stelle finden Sie jeweils die Texte der einzelnen Predigten zum Propheten Elia. So können Sie den Zusammenhang mitverfolgen, wenn Sie einmal eine Predigt verpassen. Allerdings ist es kein Problem, die Gottesdienste auch einzeln zu besuchen, da jede Predigt in sich eine abgeschlossene Einheit bildet.
Emanuel Memminger,
Ich lade Sie ein zu einer kleinen Zeitreise ins Land Israel mehr als 2800 Jahre vor unserer Zeit. Das Land der Bibel war in jener Zeit in zwei Königreiche aufgeteilt.
Die Söhne des weisen Königs Salomos hatten sich über ihrem Erbe zerstritten und das Land in zwei Teile aufgeteilt. Im Norden, wo Elia als Prophet gewirkt hat, wurde Samaria zur Hauptstadt ernannt und als erster König herrschte dort Jerobeam.
Da der Tempel im Südreich in Jerusalem stand, musste Jerobeam ein eigenes Heiligtum für sein Land aufbauen. In diesem Tempel stand das Standbild eines Stiers, welches den Thron Gottes symbolisieren sollte.
Die Menschen, die später die Königsbücher der Alten Testamentes niederschrieben, sahen das als schweren Verstoss gegen das Bilderverbot. Fortan sprach man nur noch von der Sünde Jerobeams und sah darin den Anfang vom Ende des Nordreiches.
Zu Zeiten des Propheten Elia, etwa 850 vor Christus herrschte der König Achab im Lande, er war in den Augen der Autoren des Königsbuches noch viel schlimmer als sein Vorfahre Jerobeam. Hören sie einen Abschnitt aus
1. Könige 16, 29-33
Und Achab, der Sohn Omris, wurde König über Israel im achtunddreissigsten Jahr Asas, des Königs von Juda, und zweiundzwanzig Jahre lang war Achab, der Sohn Omris, in Samaria König über Israel. 30 Und Achab, der Sohn Omris, tat mehr Böses in den Augen des HERRN, als alle, die vor ihm gewesen waren. 31 Und war es nicht genug, dass er in den Sünden Jerobeams, des Sohns von Nebat, ging? Er nahm Isebel, die Tochter des Etbaal, des Königs der Sidonier, zur Frau und ging und diente dem Baal und warf sich vor ihm nieder. 32 Und er errichtete dem Baal einen Altar im Haus des Baal, das er in Samaria gebaut hatte. 33 Und Achab fertigte auch eine Aschera an, und Achab tat mehr, um den HERRN, den Gott Israels, zu reizen, als alle Könige Israels, die vor ihm gewesen waren.
Die Autoren der Königsbücher gehen mit Achab ganz schön ins Gericht. Was hat er getan, das in ihren Augen so schrecklich war?
Eigentlich war er, so würden wir heute sagen, ein geschickter Diplomat und ein Befürworter der interkulturellen Begegnung. Er heiratet die phönizische Prinzessin Isebel um seinem Land damit die Freudschaft mit der aufstrebenden Handelsmacht Phönizien zu sichern.
Isebel bringt ihre Religion mit in die Ehe, den Glauben an die kanaanäischen Götter Baal und Aschera. Und Achab führt diese Kulte in Israel ein. Neben Jahwe, dem Gott der Väter, sollen nun auch diese Götter verehrt werden.
Der Gott „Baal“ erscheint im Alten Testament als der absolute Gegenpol zum Gott Israels. Und dies ist auch das Grundthema der Eliageschichten: Wer ist unser Gott? Der Gott Israels oder der Baal? Wie stellen wir uns Gott vor? Wie glauben, denken, wünschen wir ihn uns? Damit führt uns Elia zu einem Grundthema des Glaubens, der Gottesfrage.
Doch nun wollen wir ihn endlich auftreten lassen. Ich lese ihnen 1. Könige 17, 1-6
1 Und Elija, der Tischbiter aus Tischbe im Gilead, sprach zu Achab: So wahr der HERR, der Gott Israels, lebt, vor dem ich diene: In diesen Jahren wird kein Tau fallen und kein Regen, es sei denn auf meinen Befehl! 2 Und das Wort des HERRN erging an ihn: 3 Geh fort von hier und wende dich nach Osten. Halte dich verborgen am Bach Kerit, der jenseits des Jordan fliesst. 4 Und aus dem Bach kannst du trinken, und den Raben habe ich geboten, dich dort zu versorgen. 5 Und er ging und handelte nach dem Wort des HERRN. Er ging und blieb am Bach Kerit, der jenseits des Jordan fliesst. 6 Und die Raben brachten ihm am Morgen Brot und Fleisch und auch am Abend Brot und Fleisch, und aus dem Bach trank er.
Elia tritt auf und schon sind wir mitten im Geschehen. Wir erfahren nichts über sein Alter, seine Familie, seine Jugendzeit oder seine Berufung.
Plötzlich ist er da und spricht einen Satz, dessen Tragweite wir kaum fassen können. Er kündigt König Achab eine Dürre an, als Strafgericht Gottes, weil er den Baalskult in Israel eingeführt hat.
In diesem Satz ist mehr gesagt, als wir auf den ersten Blick erahnen können. Nach dem Glauben von König Achab wäre nämlich der Gott Baal zuständig für den Regen und nicht mehr der Gott Elias. Wenn Elia eine Dürre ankündigt, so will er zeigen, dass Baal unfähig ist, Regen zu senden und damit ein reines Hirngespinst.
Baal ist ein klassischer Fruchtbarkeitsgott. Die Legende erzählt, dass er alljährlich im Frühjahr vom Totengott Mot in die Unterwelt gesperrt wird. Dann kommt die Trockenheit über das Land, der heisse Sommer. Doch jedes Jahr von neuem befreit sich Baal im Herbst aus der Unterwelt und bringt den erlösenden Regen übers Land. Baal ist der Garant für die Fruchtbarkeit im Land und das göttliche Abbild der Jahreszeiten.
Damit wird klar, welches Wesen den Baalsglauben kennzeichnet. Es ist der immer wiederkehrende Kreislauf des Lebens. Baal garantiert, dass es immer so sein wird, wie es immer schon gewesen ist. Wenn die Menschen ihm ihre Opfer bringen, dann kommt er alle Jahre wieder, um den Regen übers Land zu bringen.
Der Baal ist, etwas überspitzt gesagt, der Garant des status quo. Er ist, wenn man so will, der Gott der Konservativen. Beim Baal bliebt alles gleich, da weiss man was man hat, da braucht es nichts neues.
Wer an Baal glaubt, der macht keine spirituelle Entwicklung durch, der ist nicht auf einem Weg mit Gott, der kennt einfach seine religiösen Pflichten und befolgt sie brav.
Dem stellt Elia seinen Gott gegenüber, den Gott der Väter und Müttern, der Gott von Abraham und Sarah, Isaak und Rebekka und Jakob und seiner Familie. Der Gott von Mose, der Israel aus der Gefangenschaft geführt hat und es bis heute begleitet und führt.
Der Gott der Bibel ist ein ganz anderer Gott als der Baal. Wohl sorgt auch er dafür, dass es regnet und dass die Natur ihre Frucht hervorbringt, damit Mensch und Tier davon leben können.
Doch der Gott der Bibel ist und tut mehr als das. Er greift aktiv ein in das Geschehen dieser Welt. Er ergreift Partei, für die Armen, die Leidenden, die Versklavten, er schafft Befreiung, Veränderung, Neuanfang.
Er schickt uns auf einen Weg, so wie Abraham oder Moses und sein Volk. Auf dem Weg mit ihm wachsen und reifen wir, bauen mit an seinem Reich, setzen uns selber dafür ein, dass diese Welt ein besserer Ort wird.
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Gott ist zwar der Ewige, so sagen wir, und sicher auch der immer Gleiche, aber er will nicht, dass es immer gleich so weitergeht, auf dieser Erde. Er will, dass Veränderung geschieht, dass diese Erde mehr und mehr so wird, wie sie gedacht war. Deshalb ist er mit uns unterwegs, bewahrend, helfend, aber auch korrigierend und manchmal auch strafend.
Damit kommen wir auf ein ganz heikles Thema zu sprechen, ein Thema das sogar den Menschen, der damals die Elia-Geschichten aufgeschrieben hat in Verlegenheit gebracht hat.
Gibt es auch einen strafenden Gott? Kann es Gottes Wille sein, eine Dürre über das Land kommen zu lassen. Muss Gott seine Überlegenheit über den Baal so beweisen, dass ein Volk hungern muss? Kann Gott so sein?
Selbst der Text scheut sich, das so klar auszudrücken. Wenn Elia die Dürre ankündet, verwendet er nicht die sonst übliche prophetische Formel „so spricht der HERR“.
Elia beruft sich zwar auf Gott, aber die Dürre kündigt er scheinbar von sich aus an. Ein Gotteswort wird nicht erwähnt. Erst nachher hören wir, wie ein direktes Gotteswort an Elia ergeht, nämlich dass er sich am Bache Krith verbergen soll.
Kann Gott strafen, kann Gott für Leid verantwortlich sein? Auch der Autor der Elia-Geschichten scheint sich darüber nicht ganz klar zu sein, jedenfalls ist er sehr vorsichtig mit seiner Aussage.
Wieder werden wir auf Grundfragen unseres Glaubens geworfen. An welchen Gott glauben wir? Glauben wir nur an einen „Schönwettergott“, an einen Gott der nichts mehr zu sagen hat, wenn wir durch schwere Zeiten gehen müssen, wenn Leid und Dunkelheit unser Leben bestimmen?
Schaffen wir es, auch in Dürrezeiten noch zu glauben, auch dann noch von Gott zu reden? Und wie können wir das tun, ohne Gott zu verdrehen, ihn zu einem grausamen Despoten zu machen?
Wenn wir daran festhalten, dass es nur einen Gott gibt, wie das das Judentum, das Christentum und der Islam tun, dann müssen wir uns diesen Fragen stellen. Es wäre eine billige Lösung, alles Leid und Übel einem andern in die Schuhe zu schieben, etwa dem Teufel.
Als Christenmenschen müssen wir uns diesen Fragen immer neu stellen. Wer ist unser Gott? Wo ist er, in all dem Leid auf dieser Welt? Ist er nur der „liebe“ Gott? Kann etwas Zerstörendes seinen Ursprung in Gott haben?
Nehmen wir diese Fragen doch einmal mit auf die Reise, die wir nun mit Elia machen.
Interessanterweise geht jetzt aber Elias Kampf mit dem König und dem Baalsglauben nicht einfach nahtlos weiter. Elia muss zuerst einen anderen Weg gehen, auf dem er einiges zu lernen hat.
Sein Weg führt ihn zuerst in die Einsamkeit. Gott schickt ihn an den Bach Krith in die Einöde des Ostjordanlandes. Dort sorgt er für ihn.
Eine fast märchenhafte Idylle wird beschrieben. Die Raben versorgen Elia mit Nahrung. Es wird deutlich: Gott lässt seinen Boten nicht fallen, wenn er seinen Auftrag ausgeführt hat.
Dass Gott zu seinen Boten steht, könnte auch uns als Kirche Mut machen, unsere manchmal eben auch etwas unbequeme Botschaft an unsere Gesellschaft auszurichten.
Nun lassen wir Elia hier am Bach Krith zurück. Der heutige Text hat viele Fragen aufgeworfen. Mit diesen Fragen muss ich uns in die kommende Woche entlassen. Antworten finden sich nicht immer sofort, zu Zeiten Elias nicht und heute nicht.
Diese Fragen werden uns aber immer wieder begegnen auf unserem Gang durch die Elia-Geschichten und der eine oder andere Ansatz zu einer Antwort wird sich auch herauskristallisieren. Und der heutige Text endet ja mit diesem Bild der Bewahrung. Gott ist mit uns, auch in Zeiten des Fragens und Zweifelns auch in Zeiten der Dürre.
Amen